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Eine kurze Geschichte des gesetzlichen Umwelt-, Klima- und Naturschutzes in Deutschland
30.08.2022

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Klimaschutz ist nicht erst seit "Fridays for Future" ein Thema in Deutschland. Zwar hat die FFF-Bewegung das Anliegen in seiner Dringlichkeit für fast jeden unübersehbar gemacht. Dennoch reichen die Bemühungen um nachhaltigen Klima-, Umwelt- und Naturschutz mehr als 100 Jahre zurück.

Am Anfang war das Wasser

Schon in der Antike erkannten die Menschen, dass es sinnvoll war, Wasser und Abwasser zu trennen. Im Mittelalter ging dieses Wissen teilweise verloren. Pest und Cholera waren die Folgen. Mit seiner Landgüterverordnung "Capitulare de villis" führe Karl der Große unter anderem den Rodungsschutz ein, sogenannte Bannwälder entstanden. Die Umweltverschmutzung begann in Europa mit der Industriellen Revolution. Luftverschmutzung durch den zunehmenden Einsatz fossiler Brennstoffe, Industrieabfall und zunehmende Abwassermengen durch die wachsende Bevölkerung der Städte führten zu ersten Bemühungen um Luft- und Wasserreinhaltung und vermehrtem Interesse an der Natur. 1882 wurde die erste deutsche Kläranlage in Frankfurt am Main in Betrieb genommen. Naturschutzbewegungen wie Wandervögel, Jugendbewegung, Sozialdemokratische Naturfreunde oder die rechte Völkische Bewegung entstanden.

Es grünt so grün

Erstmals gesetzlich verankert wurde der Naturschutz in Deutschland nach der Revolution von 1918. Im Artikel 150 der am 11.08.1919 unterzeichneten Verfassung der Weimarer Republik hieß es: "Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates." Es war in den Köpfen der Politiker angekommen, dass eine intakte Natur einen wichtigen Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung hat. Viele Menschen verbrachten ihre Freizeit im Grünen. Privater Gemüseanbau half, den Nachkriegshunger zu besiegen. Am 31. Juli 1919 unterzeichnete Reichspräsident Ebert das Gesetz: "Die Kleingärten- und Kleinpachtlandordnung", um die Schrebergärten zu fördern. In den 1920er Jahren entstanden mehr als 230 Naturfreundehäuser in ganz Deutschland. In Berlin suchte man nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, der Auflösung des Militärs und dem Zustrom von Flüchtlingen neue Möglichkeiten, diese vielen Arbeitslosen sinnvoll zu beschäftigen. Mit Hilfe eines Notstandsprogramms von 45 Millionen Reichsmark wurden Parkanlagen, Spiel und Tummelplätze geschaffen. Dazu gehören unter anderem der Volkspark Jungfernheide, der Volks- und Waldpark Wuhlheide und der Volkspark Mariendorf.

Braune Phase

Nach Machtübernahme der Nazis in Deutschland wurden die Naturfreunde im März 1933 verboten. Der Deutsche Bund für Vogelschutz, aus dem später der NABU - Naturschutzbund Deutschland - hervorging, durfte bestehen bleiben. Seine Gründerin, Lisa Hähnle, wurde zur "Reichsvogelmutter" ernannt. Selbst auf Hitlers Berghof am Obersalzberg war ein Vogelwart beschäftig. Das steigerte die Bekanntheit des Vogelschutzbundes, brachte Spenden und neue Mitglieder. Mit der "Blut und Boden"-Ideologie der völkischen Artamanen gewann der Reichsbauernführer Walter Darré Wählerstimmen. Auch Heinrich Himmler gehörte zu den Artamanen. Seine Begeisterung für biologisch-dynamische Landwirtschaft ging soweit, dass er im Konzentrationslager Dachau durch die Insassen einen Demeter-Kräutergarten anlegen ließ. In "Mein Kampf" radikalisierte Hitler die völkischen Ideen, indem er die Deutschen als Herrenmenschen darstellte, von der Natur auserwählt, Lebensraum im Osten zu erobern. Unter dem Deckmantel des Naturschutzes wurden Krematorien begrünt und Wehrlandschaften wie der "Westwall" errichtet. Letztendlich führte die Herrschaft des Naziregimes jedoch zu Millionen Toten und der Zerstörung unzähliger Städte, Dörfer und Naturlandschaften.

Doppeltes Deutschland, doppelter Naturschutz?

Bundesrepublik

Schon 1945 wurden die Naturfreunde durch die Alliierten wieder zugelassen, mussten allerdings zunächst unpolitisch bleiben. Erst durch die Ostermärsche wurden demokratische Traditionen der Weimarer Republik wiederbelebt. Weiterreichende, verbindliche Naturschutzregeln gab es zunächst nur auf Ebene der Bundesländer. So nahm schon 1946 Bayerns erster Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (SPD und Naturfreunde) das Betretungsrecht der Natur und den Naturschutz in die Verfassung des Freistaates Bayern auf. Erst unter Bundeskanzler Willy Brandt entstanden bundesweite demokratische Bürgerinitiativen für Umwelt- und Naturschutz. Ihre Proteste verhinderten den Bau des geplanten Atomkraftwerkes in Whyl am Kaiserstuhl. Durch diesen Erfolg beflügelt, veränderte sich der Charakter der Naturschutzverbände. Sie wurden professioneller, gewannen Spenden und Mitglieder. BUND und NABU erreichen, dass sie frühzeitig bei Planungen für Eingriffe in die Natur einbezogen werden. Das Reichsnaturschutzgesetz von 1935 wurde nicht als Teil der nationalsozialistischen Ideologie gesehen und blieb teilweise bis in die 1970er Jahre gültig. Erst 1976 trat das Bundesnaturschutzgesetz in Kraft.

DDR

Auch im Osten Deutschlands galt nach 1945 weiterhin das Reichsnaturschutzgesetz von 1935. Bereits 1954 löste die DDR es durch ein eigenes Naturschutzgesetz ab, das 1970 in das Landeskulturgesetz umgewandelt wurde. Es umfasste den Schutz von Naturschutzgebieten, Landschaftsschutzgebieten und Naturdenkmälern. Der Umweltschutz wurde in der DDR eher stiefmütterlich behandelt und oft im Ehrenamt betrieben. Anders als in der Bundesrepublik wurden unabhängige Naturschutzorganisationen nicht zugelassen. Einzige Ausnahme war die staatliche Massenorganisation Kulturbund. Hier vereinten sich nicht nur Künstler und Intellektuelle. Heimatfreunde und Sammler stellten rund zwei Drittel der zuletzt rund 260.000 Mitglieder. Für sie war es die einzige Möglichkeit, sich legal überregional zu organisieren. Prominente Naturschützer der ehemaligen DDR wurden nach der Wende Teil der Übergangsregierung. Aus dieser Position heraus konnten sie in der letzten Sitzung vor der Wiedervereinigung noch ein Nationalparkprogramm beschließen lassen. Dadurch wurden große und bedeutende Flächen unter Naturschutz gestellt und im Einigungsvertrag ebenso übernommen. Nach der Wiedervereinigung verlor das Landeskulturgesetz der DDR seine Gültigkeit. Das Bundesnaturschutzgesetz wurde für alle Bundesländer zur verbindlichen Rechtsgrundlage.

Gemeinsam in die richtige Richtung

Mit dem Einzug der Grünen in den Deutschen Bundestag 1983 war erstmals eine Partei an der Regierung beteiligt, die sich in erster Linie für umweltpolitische Themen engagierte. Unterstützung bekam sie ab 1990 durch das Bündnis 90 der ehemaligen DDR. Parallel zur deutschen Wiedervereinigung schritt auch die Globalisierung voran. Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sind längst mehr als Anliegen regionaler oder bundesweiter Naturschutzvereine. Ein anerkennenswerter Erfolg ist beispielsweise die allmähliche Schließung des Ozonloches über der Antarktis durch das internationale FCKW-Verbot. Doch wo ein Loch geschlossen wird, tun sich scheinbar drei neue auf. In den letzten 10 Jahren konzentrierten sich die Bemühungen zunehmend auf den Klimawandel. Die Ziele sind groß und liegen teilweise in so weiter Ferne, dass nicht alle heutigen Entscheidungsträger Erfolg oder Scheitern noch erleben werden. So wurde im Februar 2022 das deutsche Treibhausgasminderungsziel gesetzlich angehoben. Bis 2030 soll eine Minderung des CO2-Ausstoßes von 65 Prozent gegenüber 1990, bis 2045 Klimaneutralität und ab 2050 negative Treibhausgasemission erreicht werden. Die Europäische Union hatte bereits 2019 den European Green Deal als zentralen Bestandteil der europäischen Klimapolitik vorgestellt. Darin wurde festgeschrieben, dass Europa die Nettoemissionen der Treibhausgase bis 2050 auf Null reduziert und somit als erster Kontinent klimaneutral wird.

Im Großen wie im Kleinen

Auch für den Normalbürger sind heute Umwelt-, Klima- und Naturschutz Themen, denen sich kaum einer entziehen kann. In den Medien und im täglichen Leben werden wir immer wieder daran erinnert. Sei es durch neue Horrormeldungen über Hochwasser, Dürre, Tornado, Artensterben und ähnliche Katastrophen mitten in Deutschland. Oder durch einen bloßen Blick auf das Thermometer im Hitzesommer 2022. Darum halten es 68 Prozent aller Deutschen für wichtig, sich mit dieser Problematik zu beschäftigen.

Von den demokratisch gewählten Parteien kann sich ebenfalls keine mehr dieser Problematik verschließen. Die aktuelle Lage in Europa und der Welt macht es dennoch nötig, Aufgaben und Ziele neu zu bewerten. So stufte die Europäische Union im Februar 2022 Gas und Atomkraft unter bestimmten Auflagen als klimaneutral bzw. nachhaltig ein. Schließlich muss im kommenden Winter der Spagat zwischen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sowie der Nutzung aller geeigneten und nachhaltigen Heizsysteme gelingen und bezahlbar bleiben.

Die Zukunft wird zeigen, ob die bisherigen Bemühungen ausreichend sind, eine lebenswerte Umwelt und Natur mit einem annehmbaren Klima auch für künftige Generationen zu erhalten.