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Nachtspeicherheizungen in der Energiekrise: Rasch austauschen oder besser noch warten?
21.11.2022

stock.adobe.com © Robert Poorten

Nachtspeicherheizungen haben einen sehr schlechten Ruf als Stromfresser. In der jetzigen Energiekrise sehen einige Experten in ihnen jedoch eine interessante Lösungsmöglichkeit.

Noch 2019 wurden in Deutschland etwa 2,3 Prozent aller Wohngebäude und 2,6 Prozent aller Wohnungen mit stromversorgten Nachtspeicherheizungen (auch Stromspeicheröfen genannt) erwärmt. Fast immer handelt es sich dabei um ältere Bestandsgebäude.

Da derartigen Heizsystemen eine recht geringe Effizienz attestiert wird, gab es bereits Ende der 2000er den festen politischen Plan, ihre Benutzung bis 2019 zu untersagen. 2013 wurde das von Union und FDP geplante Verbot jedoch durch die damalige große Koalition gekippt. Grund dafür war die Erkenntnis, dass diese Heizungen aufgrund ihrer Funktionsweise gewisse Vorteile als Speicher für überschüssigen Strom bieten können.

Wer heute immer noch solche Heizungen betreibt, steht jedoch aufgrund der derzeitigen energetischen und fiskalpolitischen Ausnahmesituation vor einer schwierigen Frage: Die Heizungen behalten, und eventuell sogar einen besonderen Nutzen aus ihnen ziehen, oder möglichst rasch versuchen, sie gegen eine andere Technik austauschen zu lassen?

Wie Nachtspeicher funktionieren und warum sie aufkamen

Die Nachtspeicherheizung kam in den beiden ersten Nachkriegsjahrzehnten auf. Da es sich häufig um einzelne Heizkörper handelt, von denen jeder nur einen 400-Volt-Stromanschluss (ehemals 380 Volt) benötigt, waren sie für damalige Bestandsbauten eine kostengünstige und schnell umzusetzende Möglichkeit, zuvor verwendete Einzelraumöfen (etwa für Kohle oder Heizöl) gegen eine komfortablere Technik zu ersetzen.

Als in den 1960ern und 1970ern zudem immer mehr Kernkraftwerke errichtet wurden, wurden die Öfen auch für die Stromerzeuger interessant. Atomkraftwerke (vor allem damaliger Prägung) müssen stets in hohen Leistungsstufen laufen, lassen sich schlechter regeln.

Nachts sorgte (und sorgt) das für einen teils erheblichen Stromüberschuss, noch stärker als beim Betrieb von Kohle- und ähnlichen konventionellen Kraftwerken. Nachtspeicheröfen können diesen „Überschussstrom“ sehr gut verwenden. In vielen Gebäuden wurde deshalb ein zweiter Stromzähler mit Zusatztechnik installiert: Erst in den späteren Abendstunden wurde der (Nacht-)Strom auf ein Signal des Betreibers hin freigegeben und floss in die Heizung.

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Dort geschah damals wie heute das gleiche:

  1. Der Strom wird durch Widerstände geleitet. Dadurch entsteht aus physikalischen Gründen viel Wärme.
  2. Die Widerstände sind in Steine mit hoher Wärmespeicherfähigkeit eingebettet; daher sind Nachtspeicherheizungen sehr schwer.
  3. Die Steine werden mit der Wärme „aufgeladen“. Bis zum nächsten Abend geben sie diese wieder in den Raum ab.

Einzelne Heizungen in Form von Heizkörpern sind die häufigste Ausprägung dieser Technik. Es gibt jedoch Geräte, die ähnlich wie eine wasserführende Zentralheizung mit daran angeschlossenen konventionellen Radiatoren arbeiten. Da die Einzelgeräte die größte Bedeutung haben, fokussieren wir uns im weiteren Textverlauf auf sie.

Warum Nachtspeicherheizungen in der Kritik stehen

Einer der offensichtlichsten Nachteile dieser Heizung ist ihre schlechte Regelbarkeit. Jede Verstellung wirkt sich erst ab der nächsten Aufladeperiode aus. Bis dahin bleibt es entweder zu kalt oder warm im Raum. Rasch die Heizung „hochdrehen“ oder absenken ist nicht möglich – selbst wenn die Geräte eine Tagaufladung beherrschen.

Großmaßstäblich und für Verbraucher sind jedoch andere Eigenschaften nachteiliger. In der Heizung selbst beträgt der Wirkungsgrad zwar deutlich über 90 Prozent. Jedes Watt Strom wird also fast in dieselbe Menge Wärmeenergie umgewandelt. Allerdings erreichen selbst moderne Stromerzeugungsmethoden bei Weitem nicht solche Wirkungsgrade:

  • Atomkraftwerk: 35 %
  • Gas-Dampf-Kraftwerk: 60 %
  • Gaskraftwerk: 40 %
  • Kohlekraftwerk: 30-40 %
  • Photovoltaik (pro Zelle): 15-22 %
  • Wasserkraft: 80-90 %
  • Windenergieanlage: 50 %

Das heißt, die Nachtspeicherheizung ist nur so effizient, wie die Quelle, aus der ihr Strom kommt. Damit ist ebenfalls der Ausstoß von CO2 und anderen Schafstoffen verbunden. Im deutschlandüblichen Energiemix „emittiert“ eine Nachtspeicherheizung deshalb sogar mehr CO2 als fossile Heizungen – selbst wenn eigentlich die Kraftwerke das Klimagas ausstoßen.

Zum Vergleich:

  • Eine (ebenfalls mit Strom betriebene) Wärmepumpe hat einen mittleren Stromverbrauch von etwa 35 kWh/m².
  • Eine Nachtspeicherheizung benötigt bei schlechter Gebäudedämmung bis zu 120 kWh/m² an Energie.

Rechnet man noch die systembedingte Luftaustrocknung hinzu, die viele Nutzer als sehr unangenehm empfinden, spricht eigentlich alles dafür, seine Nachtspeicherheizung schnell auszutauschen. Einige Tatsachen sprechen gerade jetzt allerdings dagegen.  

Was aktuell für die Nachtspeicherheizung spricht

Es genügt ein Blick in unseren Strompreisvergleich, um zu erkennen, wie hoch die Strompreise derzeit sind – wie so vieles andere gehen sie direkt auf den Krieg in der Ukraine und die davon ausgelösten Verwerfungen zurück.

Im Deutschlandmittel lag der Preis für Neuverträge zuletzt bei rund 60 Cent/kWh und steigend. Da für Altverträge bestimmte gesetzliche Spielregeln gelten, sind ihre Preise jedoch teils erheblich günstiger.

Hier liegen bereits einige wichtige Gründe für ein (momentanes) Beibehalten seiner Nachtspeicherheizung:

  • Ein preislich nach wie vor „guter“ Altvertrag für den Heizstrom,
  • ein nach wie vor existierender echter Nachtstromtarif und/oder
  • ein grüner Stromanbieter.

Wer bei wenigstens einem dieser Punkte „ja“ sagen kann, findet bereits einen guten Anlass. Jeder Wechsel der Heizung würde einen Neuvertrag bedingen, dieser wäre somit teils erheblich teurer, selbst wenn das neue System ebenfalls auf Strom fußt und weniger verbraucht.

Damit ist die Liste der Gründe jedoch noch nicht beendet. Vor allem nicht unter dem Eindruck eines Winters, von dem niemand weiß, wie hart er wird und ob unsere Stromversorgung allerorts dauerhaft sichergestellt werden kann – wenngleich dazu einige Ausnahmeszenarien gleichzeitig eintreten müssten.

  1. Der Nachtspeicher ist tatsächlich eine der besten Heizungsformen bei zeitweisen Stromausfällen. Noch besser dran sind nur Kaminofenbesitzer. Ferner Besitzer von Zentralheizungen mit Brennstoffvorrat und der Möglichkeit, deren Pumpen und Steuerungselektronik mit einer eigenen (inselfähigen) Photovoltaikanlage zu versorgen – also Holz, Pellets und Heizöl.
    Warum? Beim Nachtspeicher genügen prinzipiell einige wenige Stunden Stromfluss, um die Heizung über einen deutlich längeren Zeitraum Wärme abgeben zu lassen – selbst bei einem Stromausfall. Zudem haben die wenigsten Geräte komplexe Steuerungselektroniken, die sich bei einem Stromausfall resetten oder beschädigt werden könnten.
  2. Durch ihre Speicherkapazität kann eine bestehende Nachtspeicherheizung mitunter dazu verwendet werden, den Strom einer inselfähigen Photovoltaikanlage zu verwenden, selbst wenn im Haus kein (hinreichend großer) Stromspeicher installiert ist.
  3. Es gibt eine sehr tragfähige Zusatzlösung in Form der Infrarotheizung. Sie wirkt anders, erwärmt daher Räume ungleich schneller. Dadurch kann sie sowohl für selten benutzte Zimmer (etwa die Toilette) als auch zum Zuheizen bei zu niedrig eingestellter Speicherheizung eine gute Ergänzung sein. Damit lassen sich vor allem die Regelungs-Nachteile von Nachtspeichern stark reduzieren.
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    Kaum eine andere Heizungsbauform bedingt einen größeren Umbauaufwand. Es müssen wasserführende Leitungen durch die Wände gezogen werden – inklusive anschließendem Verputzen, Streichen und Tapezieren. Außerdem müssen entweder Heizkörper oder eine Fußbodenheizung installiert werden. Der Austausch von Nachtspeicheröfen ist deshalb deutlich aufwendiger und teurer als – beispielsweise – der Wechsel von einer Ölheizung zu einer Gastherme.
  5. Aufgrund der hohen Inflation und dem weitgehenden Ausfall von Russland und der Ukraine als Handelspartner Europas in Kombination mit einer generellen Sorge vor einem „harten Winter“ ist jeder Heizungstausch derzeit besonders schwierig. Die Preise sind gestiegen, manches ist nur unter Schwierigkeiten zu bekommen. Überdies sind die sowieso von Personalmangel geplagten Handwerker aktuell noch stärker überlastet als schon normalerweise.

Ja, Nachtspeicher haben fraglos viele Nachteile. In der aktuellen Ausnahmesituation sollte ihr Nutzen jedoch mit kühlem Kopf durchdacht werden. Teuer wird es für alle Verbraucher so oder so. Jedoch kann das Beibehalten seiner Nachtspeicher in vielen Fällen deutlich weniger teurer sein als ein hastiger Austausch inmitten der Krise.

Nachtspeicher günstiger betreiben

Wohl jeder möchte und soll derzeit so viel Strom wie möglich sparen. Selbst, wenn Nachtspeicher immer einen recht hohen Stromhunger haben werden, so ist es dennoch möglich, ihren Verbrauch in etwas bessere Bahnen zu lenken. So kann es gehen:

  • Bei Nachtstromtarifen unbedingt prüfen, ob die Heizung auch auf Tagladung läuft. Diese Ladung ausschalten – meist im Sicherungsschrank.
  • Das Gebläse der Heizkörper ausschalten (oft ebenfalls nur im Sicherungsschrank möglich). Sinkt die Temperatur im Raum unter einen bestimmten Wert, kann die Heizung sonst ihre gesamte Speicherwärme in kurzer Zeit „verblasen“ und muss nachts dann zu 100 % aufgeladen werden, statt vielleicht nur 80 oder 70.
  • Den ortsgenauen Wetterbericht verfolgen und wenn nötig jeden Abend vor Beginn der Aufladeperiode die Heizungen entsprechend justieren.
  • Wer einen Kaminofen mit genügend Brennholzvorrat besitzt: Diesen gerne häufig nutzen. Dadurch muss die elektrische Heizung weniger abstrahlen und benötigt deshalb weniger Ladestrom.
  • Die (schweren) Heizkörper nach vorn ziehen und an der Wand dahinter Reflektorfolien anbringen – besonders bei Außenwänden.
  • Die Lademenge anhand von Zimmerthermometern überprüfen. Weder sollte es morgens viel zu warm noch im Nachmittagsverlauf zu kalt sein.
  • Möglichst die Zimmer aller Türen dauernd geschlossen halten und Nachtspeicher in wenig genutzten Räumen auf die niedrigste Stufe schalten.

Ferner gilt bei diesen Heizungen eine wichtige Grundregel aller Heizungsbauformen noch stärker: Die Heizkörper müssen frei in den Raum abstrahlen können. Rund um den einzelnen Nachtspeicher sollten deshalb mindestens 150 Zentimeter Freiraum herrschen. Keinesfalls sollten die Geräte beispielsweise hinter Sofas versteckt werden.